Spin-Gruppe

Die Spin-Gruppe ist ein Objekt aus der Mathematik und Physik, insbesondere aus den Bereichen der Spektralgeometrie und Quantenmechanik. Eine zentrale Eigenschaft der Spin-Gruppe Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} ist, dass sie eine 2-fache Überlagerung der Drehgruppe SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {SO} (n)} ist.

Definition

Zu einem endlichdimensionalen Vektorraum V {\displaystyle V} über einem Körper K {\displaystyle K} und einer quadratischen Form Q : V K {\displaystyle Q\colon V\to K} auf V {\displaystyle V} definiert man die Clifford-Algebra C l ( V , Q ) {\displaystyle Cl(V,Q)} als die Algebra über K {\displaystyle K} , die von V {\displaystyle V} und dem Einselement 1 C l {\displaystyle 1_{Cl}} erzeugt wird und deren Multiplikation die Relation

v v = Q ( v ) 1 C l {\displaystyle v\cdot v=-Q(v)1_{Cl}}

erfüllt. Durch diese Beziehung ist die Clifford-Algebra bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt.

Die Spin-Gruppe zu dieser quadratischen Form ist dann definiert als Untergruppe der Produkte einer geraden Anzahl von Einheitsvektoren

Spin ( V , Q ) := { v 1 v 2 k C l ( V , Q ) : k N , v 1 , , v 2 k V , Q ( v 1 ) = = Q ( v 2 k ) = 1 } C l ( V , Q ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (V,Q):=\{v_{1}\dots v_{2k}\in Cl(V,Q):k\in \mathbb {N} ,v_{1},\ldots ,v_{2k}\in V,Q(v_{1})=\ldots =Q(v_{2k})=1\}\subset Cl(V,Q)} .

Die Spin-Gruppe zu der quadratischen Form

Q = x 1 2 + + x n 2 {\displaystyle Q=x_{1}^{2}+\cdots +x_{n}^{2}}

auf dem R {\displaystyle \mathbb {R} } -Vektorraum V = R n {\displaystyle V=\mathbb {R} ^{n}} wird kurz als Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} bezeichnet.

Für p + q = n {\displaystyle p+q=n} bezeichnet man mit Spin ( p , q ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (p,q)} die Spin-Gruppe zu der quadratischen Form

Q = x 1 2 + + x p 2 x p + 1 2 x n 2 {\displaystyle Q=x_{1}^{2}+\cdots +x_{p}^{2}-x_{p+1}^{2}-\cdots -x_{n}^{2}}

auf dem R {\displaystyle \mathbb {R} } -Vektorraum V = R n {\displaystyle V=\mathbb {R} ^{n}} .

Beispiele

Für n 6 {\displaystyle n\leq 6} hat man die folgenden Isomorphismen zu klassischen Lie-Gruppen:

  • Spin ( 2 ) S 1 {\displaystyle \operatorname {Spin} (2)\cong S^{1}}
  • Spin ( 3 ) SU ( 2 ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (3)\cong \operatorname {SU} (2)}
  • Spin ( 4 ) SU ( 2 ) × SU ( 2 ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (4)\cong \operatorname {SU} (2)\times \operatorname {SU} (2)}
  • Spin ( 5 ) Sp ( 2 ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (5)\cong \operatorname {Sp} (2)}
  • Spin ( 6 ) SU ( 4 ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (6)\cong \operatorname {SU} (4)}

Spin(n) als 2-fache Überlagerung der SO(n)

Satz: Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} ist eine zweifache Überlagerung der SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {SO} (n)} .

Beweisskizze: In der Clifford-Algebra C l ( n ) {\displaystyle Cl(n)} gilt v 1 = v {\displaystyle v^{-1}=-v} für alle v R n {\displaystyle v\in \mathbb {R} ^{n}} mit q ( v , v ) = 1 {\displaystyle q(v,v)=1} . Die Abbildung

x v x v 1 = v x v = x 2 q ( x , v ) v {\displaystyle x\mapsto -vxv^{-1}=vxv=x-2q(x,v)v}

ist eine Spiegelung des R n {\displaystyle \mathbb {R} ^{n}} und sie ist kompatibel mit Produkten, definiert also eine Darstellung

Spin ( n ) SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)\to \operatorname {SO} (n)} .

Weil jedes Element aus SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {SO} (n)} Produkt einer geraden Anzahl von Spiegelungen ist, erhält man eine surjektive Abbildung, von der man zeigen kann, dass sie eine Überlagerung ist. Der Kern besteht nur aus ± 1 C l {\displaystyle \pm 1_{Cl}} , denn Elemente im Kern müssen mit allen x R n {\displaystyle x\in \mathbb {R} ^{n}} kommutieren, also zum Zentrum der Clifford-Algebra gehören, welches aber nur aus skalaren Vielfachen von 1 C l {\displaystyle 1_{Cl}} besteht. ± 1 C l {\displaystyle \pm 1_{Cl}} sind die einzigen zu Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} gehörenden skalaren Vielfachen von 1 C l {\displaystyle 1_{Cl}} , wie man mittels der in Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} gültigen Formel ( v 1 v 2 k ) 1 = v 2 k v 1 {\displaystyle (v_{1}\ldots v_{2k})^{-1}=v_{2k}\ldots v_{1}} sieht, aus der für Vielfache von 1 C l {\displaystyle 1_{Cl}} folgt, dass ihr Quadrat 1 {\displaystyle 1} ist.

Für n 3 {\displaystyle n\geq 3} ist Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} einfach zusammenhängend und die universelle Überlagerung von SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {SO} (n)} .

Analog ist Spin ( p , q ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (p,q)} eine zweifache Überlagerung von SO 0 ( p , q ) {\displaystyle \operatorname {SO} _{0}(p,q)} , der Zusammenhangskomponente der Eins von SO ( p , q ) {\displaystyle \operatorname {SO} (p,q)} . Für p + q 3 {\displaystyle p+q\geq 3} ist Spin ( p , q ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (p,q)} zusammenhängend, dagegen hat Spin ( 1 , 1 ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (1,1)} zwei Zusammenhangskomponenten.

Lie-Algebra von Spin(n)

Die Lie-Algebra s p i n ( n ) {\displaystyle {\mathfrak {spin}}(n)} von Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} ist der von den Produkten e i e j {\displaystyle e_{i}e_{j}} mit i j {\displaystyle i\not =j} aufgespannte Unterraum von C l ( n ) {\displaystyle Cl(n)} .

Die Überlagerung Spin ( n ) SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)\to \operatorname {SO} (n)} induziert einen Isomorphismus zur Lie-Algebra s o ( n ) {\displaystyle {\mathfrak {so}}(n)} der schiefsymmetrischen Matrizen mit Spur 0 {\displaystyle 0} . Dabei entspricht 1 4 i , j a i j e i e j {\displaystyle \textstyle {\frac {1}{4}}\sum _{i,j}a_{ij}e_{i}e_{j}} der schiefsymmetrischen Matrix mit Einträgen a i j {\displaystyle a_{ij}} .

Darstellungen von Spin(n)

Durch den Homomorphismus Spin ( n ) SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)\to \operatorname {SO} (n)} werden alle Darstellungen von SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {SO} (n)} auch zu Darstellungen von Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} . Das sind zunächst die Standard-Darstellung von SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {SO} (n)} auf V = R n {\displaystyle V=\mathbb {R} ^{n}} und weiter die induzierten Darstellungen auf den äußeren Algebren Λ k V {\displaystyle \Lambda ^{k}V} für k = 2 , 3 , {\displaystyle k=2,3,\ldots }

Darüber hinaus gibt es noch für ungerade n {\displaystyle n} die Spinor-Darstellung und gerade n {\displaystyle n} die beiden Halbspinor-Darstellungen von Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} , welche sich nicht als Darstellungen von SO ( n ) {\displaystyle \operatorname {SO} (n)} faktorisieren lassen. Zusammen mit den zuvorgenannten erhält man so alle Fundamentaldarstellungen von Spin ( n ) {\displaystyle \operatorname {Spin} (n)} .

Literatur

  • Blaine Lawson, Marie-Louise Michelsohn: Spin Geometry. Princeton University Press, ISBN 978-0-691-08542-5.
  • John Roe: Elliptic Operators, Topology, and Asymptotic Methods. Second Edition. Chapman & Hall, CRC Research Notes in Mathematics Series, ISBN 978-0-582-32502-9.
  • Thomas Friedrich: Dirac-Operatoren in der Riemannschen Geometrie. Vieweg Verlag, ISBN 978-3-528-06926-1.